Eine farbige Kreidezeichnung eines Gehirns auf einem Asphaltweg, umgeben von verschiedenen Kreidestücken.

#094 – ASD und HSP: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Episode Nr. #094

25.06.2024

Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) und Hochsensibilität: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) und Hochsensibilität: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Ich bekomme seit fast einem Jahr vermehrt Anfragen zu Autismus-Spektrum Störungen und HSP. Und die meisten lesen sich wie folgt:  (das ist jetzt nur ein Ausschnitt aus einer E-Mail, die mich erreicht hat.

(Auszugsweise) „… sie denke auch, dass sie hochsensibel sei und frage sich des Öfteren auch, ob sie ins Autismus Spektrum gehöre. Witzigerweise frage ich mich genau dasselbe auch immer mal wieder, könnte mir nun aber auch beim Hören deine Podcasts vorstellen, dass diese Autismus-Spektren ebenfalls in den Bereich der Hochsensibilität fallen könnten.
Kannst du mir das bestätigen? Z.B. das Bedürfnis nach “Einsamkeit”, wenn man Menschen einfach nicht mehr ertragen kann etc.“

Vorab vielen Dank für Eure zahlreichen E-Mails und Anfragen. Damit gebt ihr mir immer wieder Futter für Themen.

Warum habe ich jetzt so lange gebraucht, um mich diesem Thema zu widmen?

Das eine ist eine klinische Diagnose und bei dem anderen handelt es sich eben um ein Persönlichkeitsmerkmal. Und ja, ich habe die Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie, aber ich habe mich dagegen entschieden, damit zu arbeiten. Für mich diente die Ausbildung eher als Abgrenzung, also zum Erkennen des Übergangs in den klinischen Bereich.

 

Da die Fragestellungen aber immer häufiger kommen, spreche ich in der heutigen Folge über:

Autismus-Spektrum-Störungen (ASD oder auch ASS) und Hochsensibilität: Unterschiede und Gemeinsamkeiten anhand von konkreten Beispielen und einfach nur über die Fakten. Wenn Du mehr zum Thema ASD wissen möchtest, dann empfehle ich Dir ein Gespräch mit einem Facharzt für Kinder- & Jugendpsychiatrie.

Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) und Hochsensibilität sind zwei unterschiedliche Konzepte, die jedoch in einigen Bereichen überlappen können. Beide Zustände beeinflussen die sensorische Verarbeitung und die emotionale Reaktion von Individuen, weisen jedoch grundlegend verschiedene Ursachen und Manifestationen auf.

 

Unterschiede:

  1. Definition und Klassifizierung:

– ASD ist eine klinisch diagnostizierte Entwicklungsstörung, die im Internationalen Klassifikationssystem für Krankheiten (ICD) und im Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen (DSM) anerkannt ist. ASD umfasst Schwierigkeiten in der sozialen Kommunikation, repetitive Verhaltensmuster und eingeschränkte Interessen.

– Hochsensibilität ist kein klinisch diagnostiziertes Krankheitsbild, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal, das sich durch eine überdurchschnittlich intensive Wahrnehmung von Sinnesreizen und eine tiefere emotionale Verarbeitung auszeichnet.

 

  1. Ursachen:

– Die Ursachen von ASD sind hauptsächlich genetisch und neurobiologisch fundiert, wobei die genauen Mechanismen noch nicht vollständig verstanden sind.

– Hochsensibilität wird nicht als Ergebnis spezifischer neurologischer Anomalien betrachtet, sondern eher als eine Variante der normalen Sensibilität.

 

  1. Therapeutische Ansätze:

– Bei ASD kommen spezifische therapeutische Interventionen zum Einsatz, die auf die Verbesserung der sozialen Fähigkeiten und Kommunikation abzielen, wie z.B. Verhaltenstherapie und soziales Kompetenztraining.

– Für Hochsensible sind allgemeinere Empfehlungen wie Stressmanagement, Schaffung einer reizarmen Umgebung und Achtsamkeitstraining hilfreich.

 

 

 

Beispiel zu den Unterschieden:

ASD im Alltag:

Max, 10 Jahre alt und mit einer Diagnose im Autismus-Spektrum, erlebt die Welt oft anders als seine Altersgenossen. In der Schule stößt die laute, chaotische Umgebung oft auf seine Schwierigkeiten. Während der Pause fühlt sich Max schnell überfordert durch das unvorhersehbare Verhalten seiner Mitschüler. Er zieht es vor, sich während der Pausen in die Bibliothek zurückzuziehen, wo er in Büchern über Dinosaurier schmökert, seine Spezialinteresse. Seine Lehrer haben spezielle Verhaltensstrategien entwickelt, die ihm helfen, den Tag zu strukturieren und seine sozialen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.

Hochsensibilität im Alltag:

Anna, eine hochsensible 28-jährige Grafikdesignerin, bemerkt Nuancen in ihrer Umgebung, die anderen oft entgehen. In Meetings ist sie besonders empfindsam für die Stimmungen ihrer Kollegen und spürt sofort, wenn Konflikte unter der Oberfläche schwelen. Diese Sensibilität ermöglicht es ihr, empathisch zu agieren und oft zu vermitteln, bevor Situationen eskalieren. Jedoch fühlt sie sich nach einem langen Arbeitstag in einem offenen Büro oft erschöpft und benötigt Zeit allein zu Hause, um sich von der Reizüberflutung zu erholen und ihre Energie wiederzugewinnen.

Gemeinsamkeiten:

  1. Sensorische Sensitivität:

Sowohl Menschen mit ASD als auch hochsensible Personen können eine erhöhte Sensitivität gegenüber sensorischen Reizen wie Lärm, Licht oder taktilem Feedback aufweisen, was zu Überwältigung und Stress führen kann

 

  1. Emotionale Tiefe und Reaktivität:

Beide Gruppen erleben möglicherweise intensivere emotionale Reaktionen auf ihre Umwelt oder auf zwischenmenschliche Interaktionen. Dies kann eine Herausforderung im Alltag darstellen und erfordert oft spezielle Strategien zur emotionalen Regulation.

 

 

Beispiel zu den Gemeinsamkeiten:

Gemeinsame sensorische Sensitivität:

Julia und Tom sind beide sehr sensibel gegenüber ihrer Umwelt, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Julia, die eine Autismus-Spektrum-Störung hat, und Tom, der hochsensibel ist, besuchen gemeinsam eine Kunstausstellung. Beide fühlen sich schnell überwältigt von der Menschenmenge und den vielen visuellen Eindrücken. Sie beschließen, sich eine ruhigere Ecke zu suchen, um die Kunstwerke fernab der lauten Besuchergruppen zu betrachten. Diese gemeinsame Erfahrung hilft ihnen, ihre sensorischen Bedürfnisse zu verstehen und unterstützt sie dabei, eine tiefe Freundschaft zu entwickeln, basierend auf gegenseitigem Verständnis ihrer Empfindlichkeiten.

Diese Beispiele verdeutlichen, wie ASD und Hochsensibilität im Alltag ähnliche Herausforderungen mit sich bringen können, die Ursachen und erforderlichen Anpassungen sich jedoch deutlich unterscheiden.

 

Ursachen und Anpassungen für Max (ASD) und Anna (Hochsensibilität):

Max (ASD):

Ursachen/Auslöser:

Max, mit einer Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert, erlebt häufig Herausforderungen im sozialen Umgang und bei der sensorischen Verarbeitung. Die laute und unvorhersehbare Umgebung der Schulpause überfordert ihn, da Personen mit ASD oft Schwierigkeiten haben, soziale Signale zu deuten und auf unerwartete Veränderungen zu reagieren. Diese Schwierigkeiten sind typischerweise neurologisch bedingt und manifestieren sich in einer überdurchschnittlichen Sensitivität für sensorische Reize und einem Bedürfnis nach Routine und Vorhersehbarkeit.

 

Erforderliche Anpassungen:

Um Max’ Tagesablauf angenehmer zu gestalten, sind spezifische Anpassungen nötig. Diese umfassen strukturierte Abläufe und klare, vorhersehbare Routinen, die ihm Sicherheit geben. Seine Lehrer haben spezielle Strategien entwickelt, wie z.B. die Nutzung eines ruhigen Raumes während der Pausen, und spezifische soziale Fähigkeitstrainings, um ihm zu helfen, seine sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zu verbessern. Diese Interventionen sind darauf ausgerichtet, die spezifischen Herausforderungen, die ASD mit sich bringt, zu adressieren.

 

Anna (Hochsensibilität):

Ursachen/Auslöser:

Anna ist hochsensibel, was bedeutet, dass sie Sinnesreize intensiver verarbeitet als der Durchschnitt. Diese Eigenschaft führt dazu, dass sie die Stimmungen ihrer Kollegen intensiv wahrnimmt und nach einem langen Tag in einem offenen Büro erschöpft ist. Hochsensible Personen wie Anna sind oft empfindlich gegenüber lauten Geräuschen, grellem Licht und emotionalen Überladungen, was aus ihrer tiefen Verarbeitung sensorischer und emotionaler Informationen resultiert.

 

Erforderliche Anpassungen:

Für Anna ist es wichtig, ihre Umgebung und täglichen Abläufe so zu gestalten, dass sie nicht ständig überreizt wird. Dies kann bedeuten, dass sie regelmäßige Pausen einlegt, um sich in einer ruhigen Umgebung zu entspannen. Zuhause schafft sie eine reizarme Umgebung, um sich von der Überstimulation des Tages zu erholen. Achtsamkeitsübungen und Meditation können ebenfalls helfen, ihre Reaktionen auf sensorische Überflutung zu managen und ihre Resilienz gegenüber täglichen Stressoren zu stärken.

 

Gemeinsame Anpassungen für Julia und Tom (sensorische Sensitivität):

Ursachen/Auslöser:

Sowohl Julia mit ASD als auch Tom, der hochsensibel ist, finden laute und hektische Umgebungen herausfordernd. Beide nehmen sensorische Reize stärker wahr und reagieren empfindlicher darauf, was zu Stress und Überwältigung führen kann.

 

Erforderliche Anpassungen:

Julia und Tom haben gelernt, Situationen zu meiden, die sie überfordern könnten, wie große Menschenmengen oder laute Orte. Sie suchen stattdessen nach ruhigeren Ecken oder Zeiten, um Kunstausstellungen oder andere Veranstaltungen zu genießen. Indem sie ihre Aktivitäten und Umgebungen sorgfältig wählen, können sie die negativen Auswirkungen ihrer Sensitivitäten minimieren und ihre Erlebnisse positiver gestalten.

 

Diese Beispiele zeigen, wie sowohl individuelle neurologische Bedingungen als auch persönliche Empfindlichkeiten spezifische Anpassungen erfordern, um das tägliche Leben und soziale Interaktionen zu erleichtern.

 

Fazit:

Obwohl ASD und Hochsensibilität in der Art und Weise, wie Individuen ihre Umwelt erfahren und verarbeiten, einige Ähnlichkeiten aufweisen, sind es grundlegend unterschiedliche Konzepte. ASD ist eine Entwicklungsstörung mit spezifischen klinischen Merkmalen und erfordert oft zielgerichtete therapeutische Interventionen. Hochsensibilität hingegen ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das durch gesellschaftliche und persönliche Anpassungen oft besser gehandhabt werden kann. Ein Verständnis beider Zustände verbessert nicht nur die Unterstützung für betroffene Individuen, sondern fördert auch eine größere Akzeptanz und Anpassung in sozialen und beruflichen Kontexten.

 

Wenn Du mehr Orientierung zu diesem Thema brauchst und Dir einen Austausch dazu mit mir wünschst, dann buch Dir am besten direkt Dein kostenfreies Orientierungsgespräch.

Ich freu mich auf Dich.

Bis dahin wünsche ich Dir viel Spaß beim Endlich. Selbst. Werden.

Nicole Führing
Nicole Führing | Expertin für HSP & Scanner | Endlich. Selbst. Werden.