

Es gibt Sätze, die andere kurz zucken lassen – und bei dir bleibt etwas hängen.
Ein „Dafür habe ich gerade keine Zeit.“
Eine Nachricht, die gelesen, aber nicht beantwortet wird.
Ein Kommentar wie: „Das hätten wir anders lösen können.“
Rational weißt du vielleicht:
Das ist nicht das Ende der Welt.
Emotional fühlt es sich an wie ein kleiner Schlag in die Magengrube.
Du grübelst, ziehst dich zurück, suchst nach Fehlern bei dir. Und oft fragst du dich:
„Warum trifft mich das so heftig? Was stimmt mit mir nicht?“
In diesem Beitrag geht es genau darum:
Warum Zurückweisung bei manchen Menschen deutlich stärker weh tut,
was das mit Zurückweisungssensitivität und Rejection Sensitive Dysphoria (RSD) zu tun haben kann
und wie du beginnen kannst, freundlicher mit dir umzugehen, wenn dein System auf ein „Nein“ sehr laut reagiert.
Zurückweisungssensitivität bedeutet vereinfacht:
Dein System reagiert sehr stark auf alles, was nach Ablehnung, Kritik, Distanz oder „du gehörst nicht dazu“ aussehen könnte – egal, ob das wirklich so gemeint ist oder nicht.
Das kann zum Beispiel so aussehen:
Eine Absage auf eine Verabredung tut dir körperlich weh.
Ein knappes „Keine Zeit gerade“ beschäftigt dich noch Tage später.
Kritisches Feedback fühlt sich nicht sachlich an, sondern wie eine Bewertung deiner ganzen Person.
Wenn jemand nicht (sofort) antwortet, rutscht dein innerer Film schnell in Richtung: „Ich bin egal. Ich habe etwas falsch gemacht.“
Von außen ist oft nichts Dramatisches passiert.
Innen drin ist eine Alarmanlage angegangen.
Dein Nervensystem ist extrem fein eingestellt auf Fragen wie:
„Bin ich hier sicher? Bin ich gewollt? Bin ich okay?“
Alles, was irgendwie nach „Vielleicht nicht“ aussieht, löst innerlich Alarm aus – manchmal so schnell, dass du es kaum bewusst mitbekommst, sondern nur die Wirkung spürst: Herzklopfen, Enge im Hals, das Bedürfnis, dich zurückzuziehen.
Vielleicht bist du im Zusammenhang mit AD(H)S schon einmal über den Begriff Rejection Sensitive Dysphoria (RSD) gestolpert.
Viele beschreiben damit diese extrem starke Reaktion auf Kritik oder Zurückweisung – vor allem im AD(H)S-Kontext. Die Emotionen sind intensiv, der Schmerz tief, und manchmal rutscht die Stimmung in Sekunden in Richtung Selbstablehnung oder Verzweiflung.
Mir ist wichtig:
Du brauchst kein Label, um deine Gefühle ernst nehmen zu dürfen.
Ob du das RSD nennst, Zurückweisungssensitivität oder einfach „Aua in meinem System“ – dein Erleben ist echt und verdient Mitgefühl.
Ein Name kann erklären, warum du so reagierst.
Aber er definiert nicht, wer du bist.
Zurückweisungssensitivität ist kein Zeichen dafür, dass du „zu dramatisch“ bist.
Sie entsteht selten aus dem Nichts. Meist spielen mehrere Faktoren zusammen:
Vielleicht kennst du Sätze wie:
„Jetzt stell dich nicht so an.“
„Sei nicht so empfindlich.“
„Das ist doch nicht so schlimm.“
Wenn du als Kind oder junger Erwachsener oft erlebt hast, dass deine Gefühle klein gemacht oder belächelt wurden, lernt dein System:
„Ich bin mit meinen Reaktionen irgendwie falsch. Ich muss aufpassen, dass ich nicht negativ auffalle.“
Auch Erfahrungen mit Mobbing, Ausgrenzung, ständiger Kritik oder dem Gefühl, „anders“ zu sein, hinterlassen Spuren.
Dein Nervensystem speichert: „Achtung, Zurückweisung tut weh – besser früh erkennen, wenn etwas kippt.“
Manche Menschen spüren Nuancen stärker: Tonfall, Spannung in der Luft, den Moment, in dem ein Gesichtsausdruck minimal kippt.
Wenn dein Nervensystem sehr fein reagiert, bist du extrem aufmerksam für Zeichen von:
Missfallen
Desinteresse
genervten Reaktionen
Distanz
Der Vorteil: Du merkst früh, wenn etwas nicht stimmt.
Die Kehrseite: Dein System schlägt manchmal Alarm, obwohl objektiv nichts Bedrohliches passiert ist.
Du denkst und fühlst viel und tief.
Ein Satz bleibt nicht nur als „Satz“ im Kopf, sondern verknüpft sich schnell mit anderen Erfahrungen:
alte Erinnerungen („Schon wieder…“)
Zukunftsszenarien („Bestimmt wird das noch schlimmer…“)
Selbstbildern („Ich bin anstrengend, ich nerve.“)
So wird aus einer kleinen Szene schnell ein großer innerer Film.
Der Schmerz ist real, auch wenn die Auslöser für Außenstehende klein aussehen.
Zurückweisungssensitivität zeigt sich in vielen Alltagsmomenten. Vielleicht findest du dich in einem oder mehreren Beispielen wieder.
Digitale Kommunikation
Du schreibst jemandem etwas Wichtiges.
Die Nachricht wird gelesen – aber es kommt keine Antwort.
Kopf: „Vielleicht ist einfach viel los.“
Körper: Enge, Unruhe, tausend Fragen.
Innerer Film: „Ich bin ihr/ihm nicht wichtig. Ich störe.“
Feedback im Job
Du bekommst eine Rückmeldung wie: „Das war schon gut, aber…“
Sachlich gesehen konstruktiv.
Innerlich kommt an: „Ich habe versagt. Ich bin nicht gut genug.“
Abgesagte Treffen oder verschobene Termine
Jemand sagt ab oder verschiebt kurzfristig.
Offizielle Begründung: Müdigkeit, Stress, andere Verpflichtungen.
Innere Übersetzung: „Ich stehe nicht an erster Stelle. Andere sind wichtiger.“
Manchmal ziehst du dich daraufhin zurück – nicht, weil du beleidigt sein möchtest, sondern weil du dich schützen willst.
Von außen kann das wie „übertrieben“ wirken.
Von innen fühlt es sich an wie:
„Ich halte diesen Schmerz gerade nur aus, wenn ich Abstand nehme.“
Du kannst deine Sensibilität nicht einfach abstellen – und das wäre auch schade.
Aber du kannst lernen, anders mit ihr umzugehen.
Hier ein paar sanfte Impulse:
Wenn etwas dich trifft, kannst du dir innerlich sagen:
„Okay, da ist wieder meine Zurückweisungssensitivität. Mein System geht gerade in Alarm.“
Allein das schafft Abstand.
Du bist nicht „falsch“, du erlebst eine Reaktion.
Eine kleine Übung, die du schriftlich oder im Kopf machen kannst:
Fakt: Was ist wirklich passiert? („Sie hat seit 5 Stunden nicht geantwortet.“)
Film: Was erzähle ich mir darüber? („Ich bin unwichtig. Sie ist genervt von mir. Ich habe etwas kaputt gemacht.“)
Beides darf da sein.
Aber es ist heilsam zu merken: Die Gefühle sind echt – der Film ist eine Deutung, nicht automatisch die Wahrheit.
Dein Nervensystem beruhigt sich nicht durch reine Logik.
Es braucht Signale von Sicherheit.
Zum Beispiel:
ein paar bewusste Atemzüge, gerne länger aus- als einatmen
kurz aufstehen, Schultern kreisen, Hände ausschütteln
eine Hand auf dein Herz oder deinen Bauch legen: „Ich bin gerade da. Ich bin sicher.“
Kleinigkeiten – aber sie holen dich zurück in den Moment und aus der Gedankenspirale.
Wenn du eine Person in deinem Leben hast, der du vertraust, kannst du das ganz vorsichtig kommunizieren, zum Beispiel:
„Ich merke, dass mich späte Antworten oder kurze Nachrichten schnell verunsichern. Ich weiß, dass du mich magst, trotzdem macht mein System dann Alarm.“
Oft reagieren Menschen viel sanfter, als deine innere Stimme befürchtet.
Und manchmal kannst du gemeinsam kleine Strategien finden (z. B. ein kurzes „Melde mich später“), die dir helfen.
Du musst dich nicht für immer in Systeme setzen, in denen du ständig das Gefühl hast, auf dünnem Eis zu stehen.
Das kann bedeuten:
Gruppen oder Formate zu verlassen, die dich dauerhaft verunsichern
Freundschaften zu pflegen, in denen Ehrlichkeit und Weichheit Platz haben
berufliche Kontexte zu suchen, in denen Feedback respektvoll und klar ist – nicht abwertend
Du kannst nicht jede Zurückweisung vermeiden.
Aber du kannst entscheiden, wie viel du dir zumutest – und mit wem du dich umgibst.
Vielleicht ist es das Wichtigste, was du mitnehmen kannst:
Deine starke Reaktion auf Zurückweisung ist kein Beweis dafür, dass du zu empfindlich bist.
Sie zeigt, wie fein dein System eingestellt ist – und wie sehr du dir Verbundenheit wünschst.
Die Aufgabe ist nicht, hart zu werden.
Die Aufgabe ist, dir selbst Halt zu geben, wenn es weh tut – und Räume zu finden, in denen du mit deiner Art willkommen bist.
Du darfst:
deine Empfindlichkeit ernst nehmen
neue Strategien lernen
Unterstützung holen, wenn der Schmerz zu groß wird (z. B. in Therapie oder Coaching)
Und du darfst immer wieder üben, dir zu sagen:
„Meine Gefühle sind echt.
Ich muss ihnen nicht alles glauben –
aber ich nehme sie ernst.“
Wenn du magst, kannst du dir zum Schluss eine Frage stellen:
In welcher Situation habe ich mich zuletzt stark zurückgewiesen gefühlt – und was hätte ich in diesem Moment gebraucht?
Vielleicht ist das der erste Schritt zu einem liebevolleren Umgang mit dir. 🌿