Hochsensibilität und die „Angst vor Ärzten“ – vom bewussten Umgang mit Ärzten und Medikamenten
In diesem Beitrag geht es um das Thema Angst von HSP und zwar im speziellen vor Ärzten.
Ich versuche immer möglichst nah am Leben zu erläutern, wie sich die Herausforderungen von Hochsensiblen und Scannern so darstellen.
In diesem Fall habe ich gerade wieder eine solche Herausforderung hinter mir und die passte ganz gut zu den Anfragen, die ich so in letzte Zeit bekommen habe. Tatsächlich habe ich auch immer mal wieder bei meinen Klienten oder auch in Gruppen die Frage gestellt, wie besonders HSP mit dem Thema Arztbesuch und Medikation umgehen. Und daraus ist dann dieser Beitrag entstanden.
Meine Reise auf dem Weg zum bewussten Umgang mit Ärzten und Medikamenten.
Es gibt Erhebungen darüber, dass weniger als 10 Prozent aller Ärzte selbst Hochsensibel sind, obwohl mindestens 45 Prozent aller Arztbesuche auf HSP zurückzuführen sind.
Ich will damit nicht sagen, dass wir kränker sind als die Normal Sensiblen.
In manchen Situationen suchen HSP aber eben häufiger einen Arzt auf. Das liegt vor allem daran, dass HSP meist unter stressbedingten – zwar selten schwerwiegend, aber oft chronischen – Erkrankungen leiden und daher regelmäßige Besuche erforderlich sein können.
Zusätzlich benötigen Hochsensible weitere Termine, um verschiedene Behandlungsmöglichkeiten ausführlich zu besprechen. Aufgrund der vielen Kontakte zwischen HSP und Nicht-Hochsensiblen-Ärzten ist es daher m. Erachtens nicht wirklich überraschend, dass es immer wieder zu Kommunikationsschwierigkeiten kommt.
Ich hatte oft das Gefühl, dass die meisten Ärzte mich als Problemfall betrachtet haben oder mich sogar als seltsam oder anders empfanden.
Andersherum dachte ich lange Zeit, Ärzte sind einfach generell unfreundlich und gefühllos.
Wie oft habe ich eine Praxis mit Rezepten verlassen, deren Notwendigkeit mir nicht klar war. Eben weil ich meine vielen Fragen (die in meinem Kopf aufpoppten) gar nicht gestellt habe, da ich viel zu nervös oder unsicher war, um sie zu stellen.
Als ich das erste Mal den Begriff Hypochonder gehört hatte, dachte ich tatsächlich, ich gehöre dazu.
Irgendwie habe ich für andere immer übertrieben, wenn ich versucht habe, alle feinen Nuancen meiner Beschwerden zu beschreiben. Die Ärzte haben dann oft frühzeitig abgewinkt und hielten nicht alle meine Wahrnehmungen wirklich für wichtig. Deshalb solltest Du Dich als HSP besser auf die Begegnung mit Nicht-Hochsensiblen-Ärzten (die Deinen Ausführungen vielleicht ausweichen) vorbereiten, Und das meine ich, insbesondere wenn es um Probleme geht, die typischerweise bei Hochsensiblen auftreten.
Wie sehen diese Probleme genau aus?
Vielleicht fragst Du Dich das jetzt als nicht sensibler Zuhörer.
Oder Du bist HSP und denkst: „Ach, das geht bestimmt nur mir so.“
Lass mich das so erläutern: Ich z. B. reagiere wesentlich empfindlicher auf Schmerzen und Medikamente und leide in der Folge auch stärker unter Nebenwirkungen als andere Patienten. Und in meinen Befragungen habe ich das für viele andere HSP festgestellt.
Viele Hochsensible berichten mir außerdem, dass sie hauptsächlich nur noch Fachärzte regelmäßig besuchen und bei allgemeinen Beschwerden auf die alternative Medizin umgestiegen sind. Sprich Homöopathie oder den Besuch beim Heilpraktiker. Ich selbst hab mich tatsächlich auch vor vielen Jahren dazu entschlossen, einfach, weil ich so wunderbar auf viele alternative Methoden reagiere.
Ich schließe die Schulmedizin nicht völlig aus und bin mir der Grenzen der alternativen Methoden bewusst.
Fachärzte besuche ich daher auch regelmäßig. Naja, bis auf Zahnärzte. Und das hat einen konkreten Grund. Lange Zeit hatte ich überhaupt keine Probleme mit meinen Zähnen und war stolz wie Oskar, wenn ich wieder einmal sagen durfte „Er hat gar nicht gebohrt.“
Aber ich wurde älter und mein Zahnarzt eben auch. Und dann verstarb der Senior. Der Junior war schon länger in die Praxis mit eingestiegen und übernahm diese dann. Und dann ging es los mit den ersten Herausforderungen. Der Junior hatte eine völlig andere Herangehensweise und nahm sich keine Zeit, um mir zuzuhören.
Ich fühlte mich unwohl, obwohl noch gar nichts passiert war.
Das schaukelte sich bei den Terminen nach und nach auf. Und dann kamen Sprüche dazu, die ich – wie ich heute weiß – einfach in den falschen Hals bekommen hatte. Ich war tatsächlich immer sehr gründlich in der Zahnpflege, aber nun bekam ich saloppe Sprüche bezüglich meine Zahnputzfähigkeiten ab. Ich fühlte mich ungerecht behandelt.
Und so wurde es immer schlimmer für mich. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem tatsächlich gebohrt werden musste. Ich war inzwischen ein Teenager und konnte auch konkret benennen, was mir weh tat. Ich ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass der Arzt mir auch zuhören und vor allem Glauben schenken wird.
Es wurde alles für den Eingriff vorbereitet und ich bekam eine Betäubung. Der Arzt verließ den Behandlungsraum und keiner erklärte mir den Ablauf so wirklich.
Ich bekam Angst. Als der Arzt dann zurückkam, fragte ich und er sagte, dass der Teil an dem er jetzt arbeite betäubt sei und ich solle mich einfach entspannen.
Ich hob direkt beim ersten Ansatz des Bohrers die Hand und sagte, dass ich trotz Betäubung alles spüren würde. Er sagte, die Betäubung wirkt gleich und das wäre nur der etwas empfindliche Zahnschmelz. Als er mit dem Bohren begann hatte ich unsägliche Schmerzen und die Tränen liefen mir einfach nur das Gesicht herunter. Er beteuerte immer wieder:
„Das kann gar nicht mehr wehtun!” motzte er fast rum und es folgten noch ein paar abfällige Bemerkungen, während ich weinend versuchte, die Schmerzen zu ertragen.
Und ab da wollte ich nicht mehr zu diesem Zahnarzt und meine Odyssee begann.
Denn ich war immer wieder auf der Suche nach einem passenden Zahnarzt. Das führte natürlich auch dazu, dass meine Zähne nie vollständig behandelt wurden. Ich merkte ja schnell, dass ich mich in einer Praxis nicht wohlfühlte und entschied: Da gehe ich nicht wieder hin.
In meinen Zwanzigern war ich dann im Vertrieb für ein Unternehmen, das Dentalimplantate verkaufte. Und als Vertriebler musste ich auch erklären bzw. anleiten können, wie diese Implantate – genauer gesagt sind das kleine Schrauben – richtig in den Kiefer eingesetzt werden. Dazu erhielt ich eine entsprechende Ausbildung und lernte, wie ich in den Kiefer bohre, mit welchem Druck, wo und so weiter. Dann konnte ich dem Zahnarzt eine Einweisung direkt am Patienten zur Nutzung der Bohrer, Drehgeschwindigkeit, Druck etc. geben.
Und da lernte ich auch, dass meine Nerven an einer anderen Stelle im Kiefer verlaufen als üblich.
Und Du kannst mir glauben, ich habe zig Mal nachgehakt, aber der Ausbilder kannte die Herausforderung und erklärte mir ganz ruhig und genau die Zusammenhänge und warum es hier auch mal Unterschiede gibt.
Was soll ich Dir sagen:
Jahrelang hatte ich das Gefühl, überempfindlich zu sein und dass etwas mit mir nicht in Ordnung war. Und jetzt erkenne ich, dass bei mir alles richtig ist.
Daraus haben sich für mich verschiedenste Erkenntnisse entwickelt:
Es ist für Hochsensible Persönlichkeiten sehr wichtig, gründlich über eine Behandlung nachzudenken, bevor sie diese akzeptieren.
Daher kann ich Dich nur dazu anregen: stell mehr Fragen, nimm Dir Zeit zum Überlegen und zieh Alternativen in Betracht, gerade und vor allem wenn Du ein ungutes Gefühl bei Deinem behandelnden Arzt oder Ärztin hast. Das ist ok.
Medizinische Eingriffe jeglicher Art wirken auf Hochsensible oft überreizend, da sie selten
vertraut, meist schmerzhaft oder auch angstauslösend sind.
Deshalb solltest Du Dich als HSP besser auf die Begegnung mit Nicht-Hochsensiblen-Ärzten (die Deinen Ausführungen vielleicht ausweichen) vorbereiten,
Und das meine ich, insbesondere wenn es um Probleme geht, die typischerweise bei Hochsensiblen auftreten.
All dies macht Hochsensible für die Behandler zu “schwierigen” Patienten, wie ich es oft genug zu hören oder auch zu spüren bekam.
Dennoch haben HSP als Patienten viele Vorteile.
Hochsensible halten sich garantiert an Empfehlungen, achten genau auf Warnsignale, und behandeln das Personal wertschätzend.
Lass uns also daran arbeiten, dass Du Dir nicht länger die Schuld für Deinen sensiblen Körper geben lässt.
Neubewertung einer schweren Erkrankung oder Gesundheitserfahrung
Diese Aufgabe dient der Neubewertung einer vergangenen körperlichen oder emotionalen Reaktion auf eine Erfahrung, die Du mit einem Arzt oder während einer Behandlung gemacht hast und die Dir vielleicht Scham oder negative Gefühle bereitet hat. Solche Erfahrungen können unsere Persönlichkeit stark prägen. Zum Beispiel könnte es ein Eingriff gewesen sein, bei dem Du schon immer – vielleicht nur insgeheim – das Gefühl hattest, dass Deine Überempfindlichkeit eine Rolle spielte.
Du bewertest hier eine Reaktion auf eine Krankheit, Verletzung, ein Medikament oder eine medizinische Behandlung neu. Deine Überreiztheit hatte sicherlich einen Einfluss darauf.
Jetzt ist es an der Zeit, dass Du Dich nicht länger schuldig fühlst für Deinen sensiblen Körper.
Du darfst lernen, die Vergangenheit hinter Dir zu lassen und Dich darauf konzentrieren, wie Du in Zukunft bewusst mit Ärzten und Medikamenten umgehen kannst.
Und jetzt schauen wir uns mal das eine Ereignis an, welches Du neu bewerten möchtest.
Dazu habe ich eine entsprechende Übung herausgesucht.
Ich hab ja bereits von meinem Ereignis berichtet, der Zahnarzt, der mir nicht richtig zugehört hat. Und daran gehen wir mal diese Übung durch:
Die erste Frage, die Du Dir stellst.
1. Erinnerst Du Dich noch an Deine körperliche oder emotionale Reaktion auf eine Erfahrung, die Du während einer Behandlung bei einem Arzt gemacht hast? Dann ist es wichtig, dass Du hierzu so viele Gefühle, Bilder oder das Verhalten zu diesem Ereignis notierst, wie Dir dazu einfallen.
2. Als nächstes notierst Du Dir, wie Du Deine Reaktion bisher empfunden hast. Bei mir war es absolute Unsicherheit; das war ja ein Arzt, der muss das ja wissen und ich bin irgendwie nicht richtig. Vielleicht bilde ich mir das Ganze ja auch nur ein?
3. Als nächstes schau Dir die Situation nochmals aus der heutigen Sicht an. Und mit dem Wissen um Deine Hochsensibilität. Ich kann sagen, dass ich mir einiges mehr an Sensibilität erlaube, seitdem ich von diesem Persönlichkeitsmerkmal weiß.
4. Als nächstes überleg mal, ob Du die Umstände hättest ändern oder vermeiden können? Wäre die ganze Situation anders abgelaufen, wenn dein Arzt gewusst hätte, dass Du hochsensibel bist? In meinem Fall kann ich das bestätigen. Denn ich hatte z. B. einen Hausarzt, der ganz anders mit mir umgegangen ist. Rückblickend glaube ich, er wusste, dass ich hochsensibel bin. Es hätte also auch bei dem Zahnarzt anders ablaufen können.
5. Was löst das jetzt in Dir aus? Also das Wissen, dass Dir da vielleicht etwas genommen wurde? Nimm Dir für diese Frage gerne etwas mehr Zeit, um darüber nachzudenken. Für mich ist es – nach langem Überlegen – recht eindeutig. Hätte ich früher zu mir und meinem Wesenszug gestanden, hätte ich mir – gerade in Bezug auf Arztbesuche – eine Menge Schmerzen und Leid ersparen können.
6. Und zum Abschluss, formuliere Dein neues Verständnis für die Situation und lies es Dir immer wieder durch, bis Du es tatsächlich begriffen hast.
Für mich ist daraus entstanden: Ich darf mehr fühlen und wahrnehmen und es gehört zu mir.
Wenn Du Unterstützung bei der Umsetzung brauchst, vereinbare direkt ein Orientierungsgespräch mit mir.