#008 – Der absolute Widerspruch: Hochsensibel und extrovertiert

Episode Nr. #008

21.11.2022

Der absolute Widerspruch: Hochsensibel und extrovertiert

Heute möchte ich dir einiges aus der Sicht einer extrovertierten, hochsensiblen Persönlichkeit berichten.

Die Abkürzung dafür lautet HSE hochsensitive Extrovertierte.

Da es mich selbst betrifft und die Gruppe der HSE nur circa 30 % der HSP, also der hochsensiblen Persönlichkeiten, ausmacht, berichte ich aus meinen eigenen Erfahrungen, Erkenntnissen und meiner Wahrnehmung.

Eben auch, weil dieser Teil der extrovertierten HSP bisher noch kaum erforscht ist und sich wenig Literatur dazu findet.

Wir wissen, dass der Großteil der Hochsensiblen introvertiert sind und sie auch eher „unter dem Radar“ und unerkannt bleiben wollen.

Als Kinder sind sie oft verunsichert durch das Außen und wirken meist eher genügsam oder still. Im Erwachsenenalter verstecken sie sich dann oft hinter kreativen Jobs, die aber weit unter ihrem Potenzial liegen und grenzen sich gerne aus, einfach um ihre Ruhe zu haben.

Genau genommen bin ich auch das ab und zu, um meine Scannermentalität und die Extrovertiertheit auszubalancieren. Eigentlich sind alle extrovertierten Hochsensiblen ambivertiert. Ambvertiert bedeutet, dass ihre Persönlichkeit zwischen den beiden Polen – also introvertiert und extrovertiert-  schwankt, weil sie gleichermaßen einen introvertierten und einen extrovertierten Anteil in sich tragen.

Es treffen also genau die introvertierten Merkmale zu, wie bei jedem normalen Hochsensiblen.

Das ist eine wunderbare Mischung, bei der somit die Stärken aus beiden Bereichen zur Verfügung stehen. Damit du diese Vorteile auch nutzen kannst, ist aus meiner Sicht ein gutes, Selbstbewusstsein, eine gute Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung sehr wichtig.

Im Endeffekt war das damals für mich der Grund, als ich rausgefunden habe, dass ich hochsensibel bin, dass ich meine erste Coaching Ausbildung gemacht habe.

Ich habe die gar nicht gemacht um Coach zu werden, sondern ich habe die damals gemacht für mich selber, um rauszufinden okay, warum bin ich denn so wie ich bin und bin dann erst wirklich auf dieses hochsensibel und die anderen Merkmale wie Scannerpersönlichkeit getroffen und erst viel, viel später auf die hochsensible Extrovertiertheit.

Was unterscheidet denn jetzt eine hochsensible Extrovertierte von einem hochsensiblen oder einer hochsensiblen Persönlichkeit?

Ich zähle einfach mal ein paar Dinge auf, die mir bei der Vorbereitung so eingefallen sind. Für mich ist z. B. die soziale Interaktion mit Menschen wirklich notwendig und gewollt, solange ich mich nicht verstellen muss. Für viele introvertierte Hochsensible reicht es oft aus, wenn sie sich mit ein oder zwei Menschen austauschen oder zusammen sind. Bei hochsensiblen Extrovertierten kann es ruhig auch mehr sein. Das heißt in großen Gruppen.

Die reden gerne viel, stehen auch gerne im Mittelpunkt. Das trifft alles auf mich zu, solange ich so sein darf, wie ich bin. Dann kann ich daraus auch Impulse und Energie schöpfen. Das ist aber auch bei mir nur begrenzt angenehm, aber sehr, sehr inspirierend.

Hochsensible, Extrovertierte reden gerne und viel, aber sie können auch genauso gerne zuhören.

Nicole bei dem Vortrag: Das Leben ist so schön, wie Du es findest!

Ja, was soll ich dazu sagen? Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne rede, aber dass ich genauso gerne zuhöre wie gerade in meinem Job bzw. wenn mich Menschen interessieren, dann möchte ich auch mehr von ihnen erfahren. Dann habe ich echtes Interesse und daraus ist bei mir das „professionelle Zuhören“ entstanden.

Das heißt, ich will wirklich wissen, was beschäftigt mein Gegenüber?

Und wie geht es weiter?

Was sind Gedanken, Gefühle, Emotionen, damit ich das auch nachempfinden und mitfühlen kann?

Sie können erstklassig Small Talk, aber nur, um dann ein tieferes Gespräch zu beginnen. Es geht, wie gerade schon formuliert, eher um das echte Interesse an tiefergehenden Gesprächen. Wir wollen mehr wissen, wir wollen hinter den Vorhang gucken.

Im Gegensatz zu den hochsensiblen Persönlichkeiten haben die HSE eine größere Toleranz gegenüber Chaos, Menschenmengen, Dominanz und im Mittelpunkt zu stehen.

Es fällt Extrovertierten viel leichter, weil sie eine höhere Energie haben. Extrovertierte neigen zu Berufen wie Lehrer, Forscher, spirituelle Begleiter, Aktivisten oder Künstler.

Oder zu kreativen Jobs, die eigentlich unter dem Potenzial liegen. Ich glaube auch, dass viele HSEler ihre Merkmale noch nicht realisiert haben.

Ich bin auch Lehrende. Ich forsche auch und bin auch irgendwie Künstler. Als Berater und Begleiter für andere Menschen habe ich mir unbewusst genau diesen Beruf gesucht.

Viele, HSEler sind auch High Sensation Seeker (HSS). Das ist auch ein Persönlichkeitsmerkmal. Es bedeutet, sie suchen die „besonderen“ Reize. Sensation steht hier nicht für sensationell, sondern eher für Reiz.
Das ist ähnlich einer ADHS Diagnose, nur ohne die physische Challenge und die pathologischen Hintergründe.

HSS haben immer Lust auf Neues, neue Aktivitäten, neue Menschen, neue Orte und sind neugierig im wortwörtlichen Sinne, „gierig auf Neues“.

Banale Routine ist für uns Extrovertierte, Hochsensible eigentlich irgendwie grausam.

Das trifft zum Beispiel auch auf Scanner Persönlichkeiten zu. Hochsensible, Extrovertierte und Scannerpersönlichkeiten lieben Impulse und Reize. Aber es ist wichtig, was Neues zu lernen. Gerne auch Dinge, von denen wir keinerlei Ahnung oder Vorerfahrungen haben. Immer wieder neue Impulse.

Bei der Recherche musste ich echt lachen und habe gedacht „Ja, das ist genau das, was mich betrifft.“

Extrovertierte, hochsensible, sind offene Bücher, was Emotionen betrifft.

Einerseits nimmt man uns als sehr warm in Gesprächen wahr, herzlich und mitfühlend, es sei denn, es tritt irgendwie Ungerechtigkeit auf.

Oder man spielt uns was vor , es fehlt die Authentizität. Da kann man bei mir, deswegen musste ich schon so lachen, quasi die Gesichtskirmes nachvollziehen.
Also im ersten Moment noch freundlich und entspannt und in dem Moment, wo mir etwas komisch vorkommt, ich ein ungutes Bauchgefühl habe, ich Ungerechtigkeit verspüre, können meine Blicke töten.

Wird mir so erzählt, ich nehm das selber in dem Moment nicht so wahr. Aber ja, es ist eine offensichtliche (Gesichtskirmes) Mimik.

Hochsensible, Extrovertierte haben außerdem eher viele Bekannte, aber nur wenig enge Freunde und kommen öfter in die Bedrängnis, auch dieses Anderssein erklären zu müssen.

Introvertierte haben in der Regel nur eine Handvoll wirkliche Freunde und das Umfeld ist auch sehr begrenzt. Bei hochsensiblen Extrovertierten ist der Bekanntheitsgrad sehr hoch. Großer Bekanntenkreis, da ist der Kontakt zwar eher oberflächlich, aber diese Kontakte sind oft unterschiedlich und decken damit unterschiedliche Bedürfnisse der Person ab.

Deswegen wirken sie für einige Freunde und Bekannte eher introvertiert und für andere extrovertiert. Du kannst aus meinem Bekanntenkreis sicher verschiedene Personen fragen, die mich unterschiedlich beschreiben werden.

Menschen neigen aber auch dazu, sich gegenüber HSE schneller zu öffnen, wenn sie Rat suchen.

Da kann ich nur immer wieder den Tipp geben: Schön, wenn man dieses Vertrauen entgegengebracht bekommt, aber verwechsle das nicht mit einer beiderseitigen tiefen Verbindung.

Ich habe schon oft daran zu knapsen gehabt, weil ich dachte, da entwickelt sich eine Freundschaft. Im Endeffekt ging es der anderen Person nur darum, ihren Ballast abzuwerfen und einen Rat zu holen. Andere merken, diese Person denkt da quer etc. und der HSE gibt viel rein. HSP und HSE haben auch eine starke Anziehungskraft auf Menschen, die unsere Energie anzapfen und rauben wollen. Durch den von uns gesuchten Austausch, weil wir extrovertiert und interessiert sind, ziehen wir diese Menschen magisch an.

Manchmal glaube ich auch mir steht auf der Stirn geschrieben „Bitte nutzt das jetzt aus, dass ich mich gerne um andere kümmere“. Außerdem können sie schlecht mit banalen Routinen, also schon gar nicht wenn ich immer das Gleiche machen würde, völlig durchdrehen.

Das war der Grund, warum ich relativ früh in meinem Leben in die Selbstständigkeit gestartet bin. Wir spüren eher, dass diese Routine uns nicht guttut. Genau deswegen sind HSE aber auch weniger vor Burn-out immun.

Deshalb ist meine Empfehlung für Hochsensible – egal ob extro- oder introvertiert – achte auf dich und deine Bedürfnisse.

Nicole Führing steht an einem Samstagabend vor der Disco Rosenhof
Nicole Führing gehört zu den 30 % der HSP die als HSE zählen., Extrovertierte Hochsensible. Hochsensible extrovertierte wie Nicole, können auch gut mal zu einer Party mit vielen Menschen gehen, ohne dass ihre Akkus direkt leer sind.

Ein guter Punkt sind Partys. Verlassen oder gerne noch bleiben wollen. Das ist so ein Dilemma.

Die Balance ist da sehr schwer zu finden. Es ist doch so schön, aber eigentlich reicht der Input für heute.

Mein Tipp: Geh nach Hause, sobald Du diesen Gedanken hast.

Sei froh, dass du ein Gefühl dafür hast und dir deine Intuition signalisiert, dass es heute genug ist und verarbeite alles in Ruhe.

Wenn wir dann mal eine Veranstaltung auslassen, dann haben wir oft was Besseres gefunden. Wenn du ein Gefühl verspürst, dass du irgendwo nicht hingehen möchtest, weil du eine andere Aktivität oder irgendwas gefunden hast, einfach mal ein Buch lesen oder deine Ruhe brauchst, dann ist das vollkommen okay.

Wenn extrovertierte Hochsensible dann in sich gehen, um wieder aufzuladen, können sie anschließend mit neuer Energie und Visionen ihrer Pläne wieder durchstarten.

Dann kannst du deine Umwelt wieder verbessern und anders gestalten. Das ist für das Umfeld oft schwieriger als für die extrovertierten Hochsensiblen selber, weil das Umfeld das nicht ganz versteht.

Sie sprechen außerdem über Ihre Gedanken, oft bevor sie die schriftlich festmachen.

Sie reden gern und denken laut. Wir hatten das schon mal mit dem gerne reden. Und wer mich kennt, weiß, dass ich ganz oft so Impulse direkt raushaue und so Ideen habe.

Begeisterungsfähigkeit ist da. Ich motiviere dann auch gerne andere und plaudern drauflos. Für andere klingt das oft irgendwie Durcheinander, Unkontrolliert.

Ja. Weil wir den guten Überblick haben und quer denken können und das Gegenüber gerade nicht.

Dann wirkt es für das Gegenüber wie Kauderwelsch. Deswegen ist es wichtig, dass ihr euer Umfeld darauf aufmerksam macht, dass ihr jemand seid, die Dinge anders denken und auch Querverbindungen herstellen und dann damit interagieren.

HSP/HSE träumen häufiger intensiver als andere.

Die Reizverarbeitung findet quasi durch den Traum statt. Ich z. B. kann dir den Traum auch noch Tage später erzählen. Ich kenne das von anderen, dass sie sagen „Ich weiß, ich habe es geträumt, aber ich weiß gar nicht mehr was.“ Bei mir ist es so, ich kann mir die Träume auch merken. Manchmal ist das schön, manchmal nicht so gut, wenn es ein blöder Traum war, dann gehen die Emotionen natürlich auch recht tief.

Der meines Erachtens einer der wichtigsten Punkte ist, dass die ausgeprägte Intuition und das Verständnis von hochsensiblen Extrovertierten dazu führt, dass sie unumgänglich mit Klarheit und akkuraten Aussagen um sich werfen.

Wie ich es jetzt sagen würde, „Klare Kante“ zeigen und andere auch mal mit der eigenen Aussage überfahren.

Das fühlt sich für die anderen nicht so gut an, aber sie zeichnen sich durch diese starke Impulskraft aus.

Das macht sich in unterschiedlichen Bereichen bemerkbar, während die introvertierten, hochsensiblen Persönlichkeiten erst mal überlegen, abwägen, reflektieren, bevor sie aktiv werden, handeln oder eine Entscheidung treffen, sind Extrovertierte quasi genau das Gegenteil. Deswegen sind sie auch eher spontan und begeisterungsfähig. Durch diese nach außen gelebte Begeisterungsfähigkeit nehmen sie andere mit. Häufig sind wir HSE da gute Motivatoren.

Wir treffen die Entscheidung schnell und gehen dabei auch mal Risiken ein. Die werden dann erst im Nachhinein reflektiert und gegebenenfalls korrigiert oder auch verworfen, während Introvertierte eher überlegen, bevor sie was aussprechen, zeigen sich bei extrovertierten HSP auch mal diese Impulskraft.

HSE sagen eben häufig ohne zu überlegen, was sie denken und tragen ihr Herz auf der Zunge. Das, gepaart mit der Fähigkeit der meisten Hochsensiblen Menschen, dass sie Menschen sehr gut beobachten und einschätzen können, treffen Sie dann mit den Aussagen quasi in Konflikten genau ins Mark.

Damit macht man sich halt nicht immer Freunde. Da darfst du lernen zu verstehen, dass das in den Augen der anderen gerne als Fettnäpfchen statt als dankbarer Hinweis verstanden wird. Als HSE musst du mit der negativen negativen Reaktion von anderen leben und hast oft schwer daran zu knabbern.

Wenn dir so was passiert, Rückzug und achte auf dich.

Andersherum können wir aber auch selber in diesem gereizten Zustand so agieren. Das kommt durch zu wenig Schlaf, zu wenig Essen. Hunger ist ganz schlimm, Wärme oder auch wenn du Schmerzen hast.

Das lässt HSE wütend oder aggressiv werden, wenn diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind.

Kümmer dich immer gut um dich selber so gut du kannst.

Sprich mit deinen Angehörigen oder deinem Umfeld, dass du so reagierst. Erkläre ihnen, was du brauchst, falls dein Körper diese Stopptaste für dich drückt.

Das waren jetzt 18 Punkte, die mir bei meinen Recherchen aufgefallen sind.

Wenn Du dazu Fragen hast, melde Dich gerne bei mir.

 

 

Nicole Führing
Nicole Führing | Expertin für HSP & Scanner | Endlich. Selbst. Werden.