Sanftes, abstraktes Landschaftsbild mit weichen Pastellfarben in Blau, Lavendel und Rosa, mit einem warmen Lichtstreifen am Horizont; das Bild vermittelt Ruhe und Geborgenheit.

Angst im Griff: 7 Tools für hochsensible Menschen

Episode Nr. #048

08.08.2023

Wie Du als HSP Deine Angst in den Griff bekommst

Disclaimer

Dieser Beitrag richtet sich nicht an Menschen, die durch eine Angsterkrankung psychisch schwer krank sind und z.B. keinen Schritt mehr aus dem Haus gehen können, die suizidal sind, unter starken Medikamenten stehen oder sich in psychiatrischer Pflege befinden.
Solche Mitmenschen gehören unbedingt in therapeutische/ärztliche Hände.

Was ist Angst denn überhaupt?

Angst gilt als Zeichen von Schwäche, als leistungshemmend und unmännlich. Sie ist lästig, belastend und engt ein. Kurz, sie zerstört Lebensfreude. Wird sie zu mächtig, kann sie Menschen handlungsunfähig und sogar krank machen. Die Grenze zwischen normaler und pathologischer Angst ist unscharf. Auch gesunde Menschen sind fähig, Angst in ihrer extremsten Form zu empfinden.

Krankhafte Angst unterscheidet sich von normaler Angst in erster Linie darin, dass sie übersteigert und unrealistisch wirkt. Von einer Angststörung sprechen Psychiater und Psychologen, wenn Symptome wie innere Unruhe, Anspannung, Schlafstörungen, Reizbarkeit und körperliches Unwohlsein die Alltagstauglichkeit eines Menschen oder seine Beziehungen beeinträchtigen.

Angststörungen wie Panikattacken, Phobien und generalisierte Angst sind in den Industrieländern die häufigste Form psychischer Erkrankungen. Von Schizophrenie ist etwa ein Prozent der Bevölkerung betroffen, von Depressionen sind es, über die Lebenszeit betrachtet, 18 Prozent. Experten schätzen, dass jeder vierte Mensch einmal im Leben unter irgendeiner Form klinisch bedeutsamer Angst leidet. Angststörungen gelten auch als Auslöser anderer Krankheiten und richten einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden an.

Hochsensibilität und Angst

Es soll in diesem Beitrag um hochreaktive Menschen und hochsensible Menschen gehen. Warum trenne ich die beiden Begriffe? Der Anteil an der Bevölkerung von HSP beträgt etwa 15–20 Prozent. Das entspricht dem Prozentsatz der hochreaktiven Menschen. Sind das jetzt wieder verschiedene Ausdrücke für dasselbe Phänomen? Nun, nicht ganz. Die Beschreibungen dazu sind nicht ganz deckungsgleich, dennoch besteht hier ein starker Zusammenhang.

Jedenfalls ist anzunehmen, dass der Prozentsatz von Hochsensiblen/Hochreaktiven, die mit Ängsten kämpfen oder an einer Angststörung leiden, höher ist als derjenige von Normalsensiblen. Denn ein hochsensibles Kind mit seiner speziell „dünnen Haut“ nimmt vom Lebensbeginn an alle Einflüsse der Außenwelt viel intensiver wahr.

Alles ist irgendwie lauter, schockierender und eindringlicher als für ein normalsensibles Kind. Das hochsensible Kind reagiert darum auch stärker. „Laut“ kann in hochsensiblen Kinderohren als „überlaut“ ankommen – ein Erschrecken wird schneller zum Schock oder gar zum Trauma. Gerade im sehr jungen Alter fehlt einem Kind oft noch das Verständnis für äußere Ereignisse. Hochsensible Kinder werden einfach davon überwältigt.

Und hier gilt: je sensibler das Kind, desto stärker der Eindruck.

Diese Ereignisse können auch ganz subtil und unauffällig ablaufen. Wenn die Bezugsperson sagt: „Du musst doch keine Angst haben!“, bekommt das Kind kein Verständnis und denkt, es nehme falsch wahr.

Es kann sich ein Lebensgefühl von Ängstlichkeit, Unsicherheit, Schüchternheit oder Zurückhaltung entwickeln. Oft passiert das, ohne dass du als hochsensibler Mensch so ganz genau weißt, warum das so ist.

Vieles wird dann einfach verdrängt – es sei denn, du hast klare Erinnerungen an diesen Schock oder die traumatischen Ereignisse.

Darum: hab bitte Verständnis für dich selbst. Wenn du an Ängsten leidest, verurteile dich nicht, aber gib auch nie auf, Wege aus der Angst zu suchen.

Angst im Griff: 7 Tools für hochsensible Menschen

Angst ist bei hochsensiblen Menschen oft besonders intensiv – sie nehmen Reize tiefer wahr und können sich schnell überfordert fühlen. Gleichzeitig zeigen viele Erfahrungen und Studien, dass gezielte Übungen und Routinen helfen, das Nervensystem zu beruhigen und mit starken Gefühlen anders umzugehen. Hier sind sieben alltagstaugliche Werkzeuge, die sich besonders für HSP eignen:

  1. Tief durchatmen mit der 4‑7‑8‑Methode – Tiefes Bauchatmen beruhigt das Nervensystem. Die 4‑7‑8‑Atmung (4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen) kann Ängste lindern und beim Einschlafen helfen. Sie wirkt besonders in Stressmomenten: Setz dich bequem hin, atme ein, halte kurz und lasse die Luft langsam entweichen.

  2. Gefühle aufschreiben – Führe ein Tagebuch, um Auslöser und Reaktionen zu erkennen. Selbstbeobachtung hilft dir, deinen Umgang mit Angst zu verbessern. Schreibe auf, wann und warum du Angst empfindest, welche Körperreaktionen du bemerkst und welche Gedanken auftreten. So erkennst du Muster und kannst bewusst gegensteuern.

  3. Achtsamkeit und Meditation – Regelmäßige Achtsamkeitspraxis hilft, negative Gedanken als vorübergehend wahrzunehmen und Stress abzubauen. Schon ein paar Minuten täglich, in denen du dich auf deinen Atem oder deine Umgebung konzentrierst, können zu mehr Ruhe führen.

  4. Trigger erkennen und einen sicheren Raum schaffen – Notiere, welche Umgebungen oder Situationen dich überreizen. Gestalte dir einen ruhigen Rückzugsort mit warmem Licht und bequemen Möbeln, der dir Sicherheit und Entspannung bietet.

  5. Körperliche Aktivität und Grounding – Bewegung, etwa Yoga, Spaziergänge oder bewusstes Dehnen, und sensorische Techniken, bei denen du deine Sinne (Geruch, Geschmack, Berührung) einsetzt, fördern Entspannung und helfen, den Fokus zu ändern.

  6. Selbstfürsorge als Routine – Regelmäßiger Schlaf, ausgewogene Ernährung, Journaling, Atemübungen und tägliche Bewegung bauen Resilienz auf. Kleine Rituale wie ein warmes Bad oder eine abendliche Tasse Tee können Wunder wirken.

  7. Unterstützung suchen – Baue ein Netzwerk aus vertrauten Personen auf und nutze professionelle Hilfe, wenn die Angst belastend wird. Gespräche mit Freunden, der Austausch mit einer Selbsthilfegruppe oder Coaching können eine große Entlastung sein.

Praxisbeispiele:

  • Maria war oft wie gelähmt vor Angst, sobald sie in Menschenmengen musste. Mit Hilfe der 4‑7‑8‑Atmung und regelmäßigen Achtsamkeitsübungen kann sie ihre Panikattacken heute frühzeitig abfangen.

  • Luca hat erkannt, dass er bestimmte Trigger (laute Cafés, enge Fahrstühle) meidet und stattdessen gezielt sicherere Orte aufsucht. Durch Journaling und Gespräche mit einem Coach hat er ein viel besseres Verständnis für seine Bedürfnisse entwickelt.

Inspiration: Hochsensibilität als Stärke

Du bist nicht allein.

Auffallend viele herausragende Denker, Erfinder, Wissenschaftler, Dichter, Musiker und Schauspieler waren oder sind zutiefst furchtsame Menschen. Zum Beispiel Steven Spielberg und Bill Gates waren in ihrer Jugend schüchtern, ängstlich und zurückhaltend.

Ein extrem ängstlicher Mensch war auch Charles Darwin. Der Vater der modernen Evolutionstheorie fürchtete sich vor fast allem: Schlangen, Menschenmengen, Feste oder das Reisen. Musiker wie Aretha Franklin, Ray Charles, Eric Clapton und David Bowie – und auch der italienische Komponist Antonio Vivaldi – klagten über Panikattacken. Berühmte Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe, Bertolt Brecht, Samuel Beckett, John Steinbeck, Franz Kafka, Virginia Woolf und T. S. Eliot wurden von Ängsten gequält. Die Sängerin Barbra Streisand und der Schauspieler Sir Lawrence Olivier kämpften mit sozialer Phobie.

Da verwundert es nicht, dass hochsensible Menschen tatsächlich häufig von Angst und auch Angststörungen berichten. Es sind genau die Merkmale, die wir bei Hochsensiblen Menschen oft wahrnehmen: Sie sind gern für sich, sie brauchen ihre Pausen und Ruhe, sind aber oft vielseitig interessiert, denken viel und sind oft hochbegabt. Wie haben es diese Menschen nun auf die großen Bühnen der Welt geschafft, obwohl sie doch eher zu den zurückhaltenden, ängstlichen HSP gehören? Ich denke, es sind die Energien, die durch Ängste freigesetzt werden. Wer Angst hat zu versagen, arbeitet oft härter als die anderen. Dann kann die Angst eine der mächtigsten Triebfedern des Lebens sein. Die Überwindung deiner Ängste kann sogar wahre Hochgefühle auslösen.

Der Angst begegnen: Weitere Impulse

Wenn du häufig unter irgendeiner Form von Phobie leidest, kannst du Erleichterung darin finden, bis zur Erschöpfung zu üben, zu komponieren, zu malen, zu schreiben oder zu kreieren.

Mein Lieblingsspruch in dieser Situation: „Tue das, wovor du Angst hast, und die Angst stirbt einen sicheren Tod.“

Du wirst durch Wiederholung sicherer und lässt dich nicht mehr so schnell beirren. Die Herausforderung und Unsicherheit an sich werden geringer. Die Angst schwindet.

Aus diesem Grund sind kreative Menschen, die zu Ängstlichkeit neigen, zwar nicht glücklicher, aber oft emotionaler, leidenschaftlicher und ausdrucksstärker als andere. Das Publikum da draußen liebt diese neurotische und ängstliche Art. Warum? Weil sie hilfsbedürftig wirkt und man sich kümmern möchte.

Haltung verändern

Unsere Körperhaltung hat einen Einfluss auf unsere Gefühle. Wenn du die Angst wahrnimmst, stell dich vor den Spiegel und schau dir deine Körperhaltung und deinen Gesichtsausdruck an: Siehst du Anzeichen von Angst, wie etwa hochgezogene Schultern, geduckte Haltung, aufgerissene Augen? Verändere bewusst deine Haltung zu dem Bild, wie du dich als kraftvollen Menschen mit weniger Ängsten sehen würdest.

Selbstliebe

Die meisten Ängste basieren auf deiner Befürchtung, dass du nicht liebenswert bist und Liebe nicht verdient hast. Dieser falsche Glaubenssatz entstand, weil du glaubst, Fehler gemacht zu haben, unwichtig zu sein oder nicht gut genug. Unsere Gesellschaft schaut viel mehr auf vermeintliche Fehler und kritisiert, als dass sie das Schöne, Gute und Vollkommene sieht. Selbstliebe ist etwas, was den meisten auf ihrem Weg verloren gegangen ist. Das darfst du dir wieder ins Bewusstsein holen und aktiv leben.

Eine einfache Übung: Stell dich vor den Spiegel und sag dir „Ich liebe mich“. Je öfter du das machst, desto stärker wirst du diesen Glaubenssatz verändern.

Dem Gefühl Raum geben

Wenn du den Mut hast, die Angst in dir zu fühlen und sie zu benennen, hast du schon den ersten Schritt getan, um dich aus ihrem Griff zu befreien. Wenn du genauer wissen willst, was es mit der Angst auf sich hat, kannst du dir folgende Fragen stellen:

  • Wo sitzt die Angst in mir körperlich?

  • Wie genau fühlt sie sich an?

  • Wenn sie eine Stimme hätte, was würde sie sagen?

  • Gibt es Bilder, Filme oder Situationen, die mit ihr verbunden sind?

Fazit: Was Studien sagen

Studien deuten darauf hin, dass Hochsensible ihre Veranlagung kaum verändern können – wohl aber ihren Umgang damit. Also heißt es üben, üben, üben! Finden Hochreaktive ihre Nische, sind sie oft zu außergewöhnlichen Leistungen fähig – so wird Angst zum Erfolgsfaktor.

Schlussgedanken und nächste Schritte

Weitere hilfreiche Methoden, sich mit deinen Ängsten auseinanderzusetzen, sind zum Beispiel Meditation oder Gespräche mit anderen. Wenn deine Ängste dich überwältigen, ist es empfehlenswert, dir Hilfe in Form eines erfahrenen Gegenübers zu suchen, der dich auf deiner Reise begleitet und unterstützen kann. Wenn du Begleitung wünschst, vereinbare direkt einen Termin für ein kostenfreies Orientierungsgespräch.

Du bist dir nicht sicher, ob du hochsensibel bist?

Dann mach einfach den kostenfreien Hochsensibel-Test – so findest du heraus, ob Hochsensibilität dein Thema ist, und erhältst sofort Tipps für den Alltag.

Komm auch gerne in unsere Community von Gleichgesinnten – „Scansitives“ (Scanner &/oder Highly Sensitives) – um dich mit anderen HSP auszutauschen und Unterstützung zu finden.

Ich wünsche dir viel Kraft und Klarheit auf deinem Weg. Du bist nicht allein und darfst dir erlauben, deine Sensibilität als Stärke zu sehen.

 

Nicole Führing
Nicole Führing | Expertin für HSP & Scanner | Endlich. Selbst. Werden.