Heute möchte ich über einen Aspekt sprechen, der in der Diskussion über Hochsensibilität meist nur am Rande auftaucht: der Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und Sucht. Und zwar nicht nur die klassische Abhängigkeit von Substanzen wie Alkohol oder Zigaretten, sondern auch subtilere Formen, die genauso belastend sein können.
Diese Episode ist aus einer ganz persönlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema entstanden. Ich habe meine eigenen Muster hinterfragt, Erkenntnisse gesammelt und möchte diese mit euch teilen. Vielleicht erkennt ihr euch in einigen Punkten wieder.
Hochsensible Menschen erleben die Welt intensiver. Sie sind oft äußerst empathisch, durchdenken Dinge tiefer und sind empfänglich für Stimmungen und Eindrücke. Doch genau diese Empfänglichkeit macht sie auch anfälliger für Überforderung und emotionale Verletzungen. Ein Problem, das dabei oft auftritt, ist eine unausgeglichene Wahrnehmung: Hochsensible spüren stark, was andere brauchen, verlieren sich aber häufig darin, die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren.
Was bedeutet das konkret? Ein Zuviel an Außenreizen und der Mangel an innerer Balance können dazu führen, dass hochsensible Menschen Mechanismen entwickeln, um Schmerz, Unsicherheit oder Überforderung zu verdrängen – und genau hier setzt das Thema Sucht an.
Der kanadische Arzt Gabor Maté beschreibt Sucht als Flucht vor innerem Schmerz. Sie entsteht aus dem Versuch, eine Leere zu füllen oder unangenehme Gefühle zu betäuben. Hochsensible Menschen, die aufgrund ihrer intensiven Wahrnehmung besonders verletzlich sind, stehen hier vor einer besonderen Herausforderung.
Wichtig ist zu verstehen, dass Sucht nicht immer offensichtlich ist. Sie kann sich auch in Verhalten oder Denkmustern zeigen, etwa in Perfektionismus, einem übermäßigen Bedürfnis nach Anerkennung oder dem Drang, bestimmte äußere Statussymbole zu erlangen.
Ein beeindruckendes Beispiel für die Verbindung von Hochsensibilität und Sucht ist das Leben von Vincent van Gogh. Sein künstlerisches Genie war eng mit seiner tiefen Empfindsamkeit verknüpft, aber auch mit inneren Kämpfen. Van Gogh erlebte die Welt intensiver als andere, was seine außergewöhnlichen Werke prägte. Gleichzeitig war er jedoch von emotionalen Abgründen, Abhängigkeiten und gesundheitlichen Problemen geplagt. Sein Leben zeigt, wie nahe Licht und Schatten bei Hochsensiblen oft beieinanderliegen.
Sucht ist nicht nur die Abhängigkeit von Substanzen. Sie kann sich auf verschiedenen Ebenen zeigen:
Manche Hochsensible entwickeln ein übersteigertes Bedürfnis nach Anerkennung, um innere Unsicherheiten zu kompensieren. Sie erschaffen ein „Schein-Selbst“, das von äußerem Lob und Zuspruch lebt. Dahinter steckt oft ein Gefühl von „nicht genug sein“.
Wann fühlst Du Dich so, als müsstest Du jemand anderes sein? Was würde sich ändern, wenn Du Dich so akzeptieren könntest, wie Du bist?
Viele Hochsensible setzen sich unter Druck, immer mehr zu leisten – sei es im Beruf oder im Alltag. Oft verbirgt sich dahinter das Bedürfnis, den eigenen Wert durch Ergebnisse zu beweisen. Doch dieses Streben nach Perfektion führt nicht selten zu Burnout und Erschöpfung.
Wo setzt Du Dich selbst unter Druck? Und wie würde Dein Leben aussehen, wenn Du auch mal “gut genug” sein lassen könntest?
Auch das Bedürfnis nach Dingen oder Statussymbolen kann eine Form von Sucht sein. Hochsensible können hier besonders anfällig sein, weil sie oft äußeren Erwartungen entsprechen wollen, um sich sicherer zu fühlen.
Gibt es Dinge, die Du glaubst, haben zu müssen, um Dich besser zu fühlen? Wie wäre Dein Leben, wenn diese Abhängigkeit keine Rolle mehr spielen würde?
Es gibt Wege, um der Suchtspirale entgegenzuwirken und ein stabiles Fundament aufzubauen:
Achtsamkeit ist eine wirksame Methode, um sich mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu verbinden, statt vor ihnen davonzulaufen. Sie hilft uns, bewusster wahrzunehmen, was in uns vorgeht, und schafft Raum für Veränderung.
Gerade für Hochsensible ist es essenziell, gesunde Grenzen zu erkennen und einzuhalten. Der bewusste Umgang mit Impulsen – sei es bei Arbeit, Genuss oder Konsum – kann helfen, ein Gleichgewicht zu finden.
Dankbarkeit lenkt unseren Fokus auf das, was wir bereits haben, und beruhigt unser oft überreiztes Nervensystem. Sie hilft uns, im Hier und Jetzt anzukommen.
Die Auseinandersetzung mit Sucht und Hochsensibilität erfordert Mut. Es geht darum, sich selbst ehrlich zu begegnen, die eigenen Schwächen zu akzeptieren und aus ihnen zu lernen. Vielleicht kennst Du das Gefühl, innerlich vor etwas davonzulaufen oder Dich in äußeren Dingen zu verlieren. Doch der wahre Weg beginnt immer bei uns selbst – bei der Anerkennung unserer eigenen Bedürfnisse und der Fähigkeit, auch die dunklen Seiten anzunehmen.
Ich hoffe, diese Episode regt Dich dazu an, Dein eigenes Verhalten zu reflektieren. Wenn Du magst, teile Deine Gedanken gerne mit mir oder in unserer Scansitives-Community. Ich freue mich darauf, von Dir zu hören.